Die Schüler und Schülerinnen sind oft unsicher, wie sie ihn ansprechen sollen. Es gibt alle Versionen. „Vorname mit Du“, „Vorname mit Sie“, „Herr plus Vorname“ oder doch ganz klassisch, wie an Schulen üblich „Herr plus Nachname“.
Norbert ist die Anrede nicht so wichtig. Seit November macht er seinen BFD Kultur und Bildung an der Stadtteilschule Kirchwerder in Hamburg und unterrichtet dort gemeinsam mit den Lehrern/-innen Theater: In jeder Klasse gibt es ein eigenes Projekt. „Mit den Schülern eines sechsten Jahrgangs haben wir zum Beispiel kleine Szenen zum Thema Albtraum erarbeitet und entwickeln daraus jetzt eine Collage. Die Schüler eines höheren Jahrgangs proben an einer Komödie, die der Englischlehrer geschrieben hat. Die Kirchwerder Shakespeare Company bringt die Stücke in englischer Sprache auf die Bühne,“ berichtet Norbert. Es hängt sehr von den Lehrern ab, was gemacht wird. Der Lehrplan lässt relativ viele Freiräume. Als erstes Bundesland hat Hamburg 2011 Theater neben Musik und Kunst in den Lehrplan der Grundschulen und Unterstufen aufgenommen. „Das ist auf jeden Fall sinnvoll. Je früher desto besser!“ findet Norbert. “Sich spielerisch ausprobieren zu können, Ideen zu entwickeln und gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen – beim Theatermachen kann man unglaublich viel lernen.“
Norbert bringt die Begeisterung fürs Theatermachen mit, hat selbst gespielt und Regie geführt. Und sich dann viele Jahre auf die Licht- und Bühnentechnik konzentriert. Nach Jahren als Technischer Leiter an einem mittelgroßen Theater konnte er aus gesundheitlichen Gründen in diesem Bereich nicht mehr arbeiten. Als es ihm besser ging, suchte eine Möglichkeit, wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Und dann kam ihm der Zufall zu Hilfe. Auf der Suche nach einem Raum für ein Tanzprojekt hörte er vom BFD Kultur und Bildung bei Stadtkultur Hamburg und von der Ausschreibung des Platzes an der Stadtteilschule Kirchwerder.
Die Stadtteilschule, die bereits über ein starkes Kulturprofil verfügt, hatte sich eine/n Freiwillige/n gewünscht, der sie im Kulturbereich unterstützt und war sehr offen für das, was die Freiwilligen mitbringen. Dass sich gerade Norbert mit seiner langjährigen Theatererfahrung beworben hat, passte da genau.
„Ich bin seit November an der Stadtteilschule und die Arbeit mit den Jugendlichen ist jeden Tag eine neue Herausforderung für mich. Das ist total spannend und eine neue Erfahrung für mich: Ich habe noch nie mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet.“ Norbert unterstützt die Lehrer bei der Stückentwicklung und im Unterricht, indem er mit kleineren Gruppen selbstständig Szenen probt oder den Klassen Übungen zur Körperwahrnehmung, zur Stimmbildung oder Aufwärmübungen macht. Die Arbeit erfordert Sensibilität: „Bei den Schülerinnen und Schülern, die mitten in der Pubertät stecken, müssen häufig Widerstände überwunden werden, zum Beispiel, wenn es um Körperkontakt geht. Und sie haben oft Angst, sich lächerlich zu machen, wenn sie etwas vor anderen zeigen, berichtet Norbert.
„Theater an der Schule zu unterrichten, ist schon eine besondere Herausforderung. Immer wieder geht es in den Klassen gar nicht nur um das eigentliche Theatermachen. Gerade die älteren Schüler testen die Grenzen aus, nicht nur bei den Lehrern, sondern natürlich auch bei mir. Da muss ich immer wieder neu einen Weg finden, damit umzugehen. Ein klarer Standpunkt hilft meist,“ resümiert Norbert, „und Ausdauer“. Und er fordert Respekt ein von den Schülerinneren und Schülern, vor allem auch untereinander, „das fällt vielen oft schwer.“
Die Konsequenz zeigt erste Erfolge. Immer häufiger erlebt Norbert im Unterricht eine konzentrierte Arbeitsstimmung, die ihn begeistert und in einigen Klassen vor einem halben Jahr noch nicht denkbar gewesen wäre. Besonders bei den Sechstklässlern, die erst im Herbst mit Theater begannen, fällt ihm das auf. „Dann entstehen die Räume zum Theaterspielen. Und darum geht es ja, ums Spielen.“
Wie geht es weiter? Der BFD war für Norbert eine gute Möglichkeit, sich in der Kulturarbeit an einer Schule auszuprobieren und herauszufinden, dass ihm diese Arbeit mit Schülerinnen und Schülern liegt – auch wenn sie ihn an manchen Tagen einige Nerven kostet. So wie es aktuell aussieht, bleibt er nach Ende des BFDs an der Schule: Mit dem Leiter der Stadtteilschule Kirchwerder ist er im Gespräch über einen Lehrauftrag im nächsten Schuljahr.
Hintergründe:
Seit 2011 gehört Darstellendes Spiel fest zum Stundenplan der Hamburger Schülerinnen und Schüler an Stadtteilschulen in Klasse 5 oder 6. Ab dem kommenden Schuljahr wird es nun zusätzlich an jeder Schule sogenannte Kulturbeauftragte geben. Das sind Lehrer/-innen, die ein festes Stundendeputat für die Koordination von kulturellen Projekten an Schule bekommen. Was vielleicht eher wie eine kleine Veränderung klingt, macht im Schulalltag einen großen Unterschied, da die Lehrer sich nicht mehr ehrenamtlich um größere Projekte kümmern müssen. Stadtkultur Hamburg, Träger des BFD Kultur und Bildung in Hamburg, entwickelt aktuell das Profil der Kulturassistenz, die die Kulturbeauftragen unterstützen und eigene Kulturprojekte initiieren kann.